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Handelsgeschäft: Rüge bei verdecktem Mangel der Ware

AG Wittmund, Az.: 4 C 553/12

Urteil vom 09.10.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird eingeräumt die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 107 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 107 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 1.652,33 € festgesetzt.

Tatbestand

Handelsgeschäft: Rüge bei verdecktem Mangel der Ware
Foto: dolgachov/bigstock

Die Klägerin hat an den Beklagten Betonkies/Betonsand verkauft und Leistungen mit ihren Lastkraftwagen nebst Anhängern erbracht und dafür insgesamt 1.652,33 € in Rechnung gestellt. Wegen der Einzelheiten der Leistung wird auf den Inhalt der Rechnung vom 21.01.2011 (Bl. 5 d. A.) verwiesen.

Neben den vorgenannten Rechnungsbetrag fordert die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 207,48 €.

Die Klägerin beantragt,

1. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.652,33 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 07.07.2011 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 207,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, sie von ihren vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 207,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Parteien hatten eine dauernde Geschäftsbeziehung unterhalten, in deren Rahmen die Klägerin unter anderem auch für das Bauvorhaben N. die Lieferung von Füllsand übernommen hatte. Bei diesen Füllsandlieferungen hatte die Klägerin die gelieferte Menge an Füllsand nicht durch ein Abwiegen feststellen lassen und durch ein Wiegeprotokoll dokumentiert. Die Klägerin hat die von ihr zur Lieferung des Füllsands zur Verfügung gestellten Transportfahrzeuge mittels eines Radladers beladen und zu den Baustellen fahren lassen. Dort wurde der Füllsand an den ausgewiesenen oder von den vor Ort anwesenden Vorarbeiter T. angewiesenen Abladeplatz abgekippt und sodann, mithin nach dem Abladevorgang die Lieferscheine zur Abzeichnung an den Vorarbeiter T. überreicht, ohne dass dieser eine Möglichkeit hatte, zum Zeitpunkt der Unterzeichnung sich von der im Lieferschein angegebenen Füllhöhe der jeweiligen Mulde des Anlieferfahrzeugs tatsächlich überzeugen zu können.

Die Klägerin hat für das Bauvorhaben „K. N.“ insgesamt Füllsandlieferungen im Gesamtvolumen von 1.139,49 m³ abgerechnet. Die Rechnungsbeträge sind von dem Beklagten gezahlt worden.

Der Beklagte behauptet, tatsächlich habe ein Aufmaß ergeben, dass lediglich 670,30 m³ Füllsand im Rahmen der Baumaßnahme eingebaut worden seien. Unter Zugrundelegung eines Verdichtungsanteils von 15 % würde sich demnach eine angefertigte Menge von 874 m³ Füllsand ergeben. Diese Differenz sei erst im Rahmen des Baustellenaufmaßes aufgefallen. Die von dem Beklagten bezahlte aber von der Klägerin nicht gelieferte Menge Füllsand im Rahmen des Bauvorhabens N. in Höhe von 265,49 m³ sei durch die Klägerin inklusive Transport mit einem Preis in Höhe von 8,70 € pro m³ in Rechnung gestellt worden, sodass sich hieraus eine Überzahlung des Beklagten in Höhe von 2,309,76 € netto, mithin 2.748,61 € brutto ergebe. Diesen Betrag hätte die Klägerin aufgrund der bereits erfolgten Zahlung des Beklagten zu Unrecht erhalten. In Höhe dieses Betrages sei die Klägerin ungerechtfertigt bereichert, der Beklagte erklärt ausdrücklich mit dem erstrangigen Teilbetrag dieser Forderung in Höhe der Klageforderung die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung.

Der Beklagte behauptet, nach den Lieferscheinen der Klägerin hätte sie mit jeder Fuhre Füllsandmengen zwischen 22,03 und 23,08 m³ transportiert. Die Klägerin verfüge aber nur über Fahrzeuge, die höchstens 13,73 m³ des entsprechenden Füllsandes in zulässiger Weise transportieren könnten.

Die Klägerin behauptet, sie sei in der Lage gewesen, die abgerechneten Sandmengen mit den in den Lieferscheinen angegebenen Fahrzeugen zuliefern. Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe gegen seine Untersuchungs- und Mängelanzeige pflichtgemäß § 377 HGB verstoßen. Der Beklagte habe die angegebenen Mengen auf den entsprechenden Lieferscheinen quittiert und es deshalb mit den Beanstandungen nachträglich ausgeschlossen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 20.06.2013 (Bl. 66 d. A.) auf den Inhalt des Beweisbeschlusses, des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen W. vom 13.11.2013 (Bl. 102 d. A.) und der gerichtlichen Niederschrift vom 17.04.2014 (Bl. 138 d. A.) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der Anspruch der Klägerin für Lieferung und Leistung gemäß Rechnung vom 21.01.2011 in Höhe von 1.652,33 € ist aufgrund der wirksamen Aufrechnung des Beklagten mit einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung erloschen.

Dem Beklagten steht aufgrund des Füllsandlieferungsvertragsverhältnisses bezüglich des Bauvorhabens K. N. mindestens in Höhe der Klageforderung ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegen die Kläger zu.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin hinsichtlich des Bauvorhabens K. N. gegenüber dem Beklagten Füllsandlieferungen von 265,49 m³ überhöht und damit zu Unrecht berechnet hat.

Der Sachverständige W. hat im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens vom 13.11.2013 ausgeführt, aus den in der Akte befindlichen Lieferscheinen vom 07.12.2010 bis zum 09.03.2011 zu ermittelnden Transportvolumina ließen sich unter Berücksichtigung der sich aus den Lieferscheinen ergebenden Abmessung der Ladung die in einer Zusammenstellung zusammengefassten Transportvolumina (in m³) und die sich daraus ergebenden Transportdichte (in Tonnen) zu ermitteln. Demnach seien bei einer Anzahl von Transporten Volumina von jeweils 22,03 m³ entsprechen 33,047 t und bei anderen Transporten Volumina von jeweils 23,086 m³ entsprechen 34,629 t transportiert worden. Die Abmessungen der Ladeflächen der Fahrzeuge würden zwar reintechnisch den Transport der ermittelten Volumina zulassen. Die ermittelten Ladungsgewichte würden aber in jedem Einzelfall das gesetzlich zugelassene Gesamtgewicht der Fahrzeugkombinationen mit dem amtlichen Kennzeichen ………. übersteigen. Diese Zugkombination hätte ein Leergewicht von 18,01 kg und dürfe daher bei Einhaltung des zulässigen Gesamtgewichts von 40.000 kg nur mit 21,99 kg beladen werden. Dies hätte ein Volumen von 14,66 m³ entsprochen. Tatsächlichen seien aber 22,031 bzw. 23,086 m³ transportiert worden.

Die Ausführungen des Sachverständigen sind detailliert, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Nach den Berechnungen des Sachverständigen hätten die Fahrzeuge der Klägerin, wenn sie tatsächlich die in Rechnung gestellten Sandmengen transportiert hätten, um 50-57 % in jedem Einzelfall überladen gewesen sein müssen. Es wiederspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass die Fahrzeuge der Klägerin in 50 Fällen derart überladen werden und derart überladen die Transportfahrten durchführen. Es ist davon auszugehen, dass sowohl die Kraftfahrer der Klägerin als auch der beladende Führer des Radladers über eine entsprechende Erfahrung verfügt, sodass eine 50 % Überladung auffallen würde und verhindert werden würde.

Bei Einhaltung des zulässigen Gesamtgewichts hätte die Klägerin mit ihren Fahrzeugen auf den 50 Touren 733 m³ Füllsand transportieren können. Selbst bei einer Überladung von 10 % hätten lediglich 806,30 m³ transportiert werden können.

Der Beklagte behauptet bei dem Baustellenausmaß sei eine feste Maße eingebauter Füllsand von 760,30 m³ festzustellen gewesen. Unter Zugrundelegung eines Verdichtungsanteils von 15 % ergebe sich hochgerechnet eine angelieferte Menge von 874,00 m³. Die behaupteten Aufmaßmengen lassen sich zwangslos mit dem von dem Sachverständigen errechneten Liefermengen unter Einhaltung des zulässigen Gesamtgewichts der Fahrzeuggespanne in Einklang bringen. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen und der Übereinstimmung mit dem behaupteten Aufmaß ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin jedenfalls die von dem Beklagten mit Klageerwiderung von 08.01.2013 berechneten 265,49 m³ Füllsand nicht geliefert wurden (Bl. 35 d. A.) und entsprechend ungerechtfertigt in Rechnung gestellt worden sind. Da der Beklagte diese Beträge gezahlt hat, ist die Klägerin jedenfalls in Höhe der Klageforderung von 1.652,33 € zu Unrecht bereichert.

Der Beklagte ist nicht gemäß § 377 Abs. 2 HGB wegen Versäumung der Rügepflicht mit der Geltendmachung seiner Rechte ausgeschlossen, da der Mangel bei Lieferung nicht feststellbar war. Eine Untersuchung hat nur zu erfolgen, soweit sie nach ordnungsgemäßen Geschäftsgang tunlich ist, das heißt, sie muss aufgrund der Umstände des konkreten Falls den Käufer zumutbar sein. Die Anforderungen an einer ordnungsgemäße Untersuchung dürfen im Rahmen der Interessenabwägung zwischen Verkäufer und Käufer nicht überspannt werden. Für den Beklagten und seine Mitarbeiter war es vor Ort auf der Baustelle nicht möglich, das Gewicht oder das Volumen der gelieferten Füllsandmenge festzustellen. Insoweit trägt die Klägerin auch nicht vor, wie der Beklagte auf der Baustelle hätte feststellen sollen, ob die gelieferte Menge mit der auf dem Lieferschein angegebenen Menge übereinstimmt. Vielmehr durfte der Beklagte aufgrund der bestehenden Geschäftsbeziehung davon ausgehen, dass die Klägerin die gelieferten Mengen korrekt angibt und die Fahrzeuge jeweils in zulässiger Weise vollbelegt. Verdeckte Mängel, nämlich solche, die bei der Ablieferung nicht erkennbar waren, können geltend gemacht werden, wenn ein entsprechender Verdacht erst später auftritt. Verdeckte Mängel können entsprechend sinnvollerweise erst gerügt werden, wenn sie sich später zeigen (Baumbach/Hobt, Handelsgesetzbuch, 31. Auflage 2003 § 377 Rdnr. 38). Der Beklagte ist deshalb mit der Geltendmachung seiner Rechte nicht ausgeschlossen.

Auch durch die Unterzeichnung der Lieferscheine durch den Angestellten des Beklagten ist der Beklagte nicht mehr der Geltendmachung seiner Rechte ausgeschlossen. Aus den Lieferscheinen ergibt sich zwar die jeweilige Ladehöhe und die Ausmaße der Ladeflächen. Insoweit bekundete der Zeuge T., die Lieferscheine seien überwiegend von ihm unterzeichnet worden. Damit werde bestätigt, die Lieferung von jeweils einem LKW mit Anhänger erhalten zu haben. Die in den Lieferscheinen angebenden Maße seien vor Ort nicht überprüft worden. Auf der Baustelle habe es sich wegen der angelieferten Füllsandmengen keinen Streit mit der Klägerin gegeben. Die angelieferten Füllsandmengen seien regelmäßig unmittelbar nach der Lieferung eingebaut worden. In Ausnahmefällen sei der Einbau am nächsten Tag erfolgt. Die Baustelle sei mit einem Bauzaun umgeben gewesen, der nach Arbeitsschluss geschlossen worden sei. Es seien nie Anhaltspunkte dafür aufgetaucht, dass dort Sand entwendet oder abhandengekommen sei.

Durch die Unterzeichnung der Lieferscheine erfolgt eine Beweislastumkehr, der Beklagte ist dadurch nicht mit dem Gegenbeweis ausgeschlossen, dass die in den Lieferscheinen aufgeführten Mengen tatsächlich nicht erbracht wurden. Der Beklagte ist deshalb nicht mit der Geltendmachung der Aufrechnung mit seinem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ausgeschlossen. Durch die wirksame Aufrechnung ist die Forderung der Klägerin erloschen. Die Klage war deshalb abzuweisen.

Da die Hauptforderung nicht begründet war, steht der Klägerin auch der geltend gemachte Verzugsschaden nicht zu. Die Klage war deshalb insgesamt abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

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